An dieser Stelle habe ich schon einmal darauf hingewiesen, dass es seit einigen Jahren ein Spannungsverhältnis zwischen den Begriffen ‚Philologie‘ und ‚Kulturwissenschaft‘ gibt. Für einige schließen sich ‚Philologie‘ und ‚Kulturwissenschaft‘ aus, für andere sind es unterschiedliche Verfahren, die durchaus miteinander kombiniert werden können, und für wieder andere sind ‚Philologie‘ und ‚Kulturwissenschaft‘ letztlich dasselbe – nur dass erstere etwas antiquierter klingt als letztere.
Angesichts dieser unterschiedlichen, sich vielfach widersprechenden Bedeutungen verwundert es auch nicht, dass viele Literaturwissenschaftler den Begriff ‚Philologie‘ derzeit als Kampfbegriff zu besetzen versuchen bzw. das ‚Philologe-Sein‘ anderen Kollegen absprechen, um sich selbst indirekt zu profilieren. Doch wer so verfährt, tut meist so, als sei hinlänglich klar, was einen Philologen ausmache. Wie wenig das heute, aber auch in den letzten 200 Jahren der Fall war, versuchen Uwe Wirth und ich nun in einer Anthologie zu dokumentieren.
Ob es uns gelungen ist, das sollen freilich andere entscheiden. Es wäre sehr nett, wenn Leser ihre Meinungen zu der Anthologie hier als Kommentar posten würden.
Ich würde – ohne ein wirklicher Kenner der Debatte zu sein – die Philologie für eine bestimmte Art der wissenschaftlichen Praxis halten, die ich wiederum einigen Vertretern der Kulturwissenschaft als (Inter-)Disziplin nicht immer zugestehen möchte. Philologisch als eine Minimaldefintion ist für mich so etwas wie „Quellentreue“. Wem das zu altmodisch anmutet, mag auch „close reading“ sagen. Damit verbinde ich keine bloße „Textgläubigkeit“ (an das, was „da steht“). Eine philologische Kulturwissenschaft sollte sich aber stark am Material bewegen und ihre Interpretationen transparent und nachvollziehbar machen, sie mit Lektüre „sättigen“. Das ist m.E. nicht immer der Fall, vor allem dann, wenn irgendwelche Begriffe aufgerufen werden und dahinter eine Klammer steht (Herr XYZ 2003). Als ob damit irgend etwas getan wäre, außer eine Duftmarke zu hinterlassen oder einen Kollegen zu grüßen. Eine philologische Kulturwissenschaft sollte in ihrer interdisziplinäre Arbeit einfach kritischer mit ihren Referenzen umgehen. Das ist zwar nur ein Minimalverständnis von „philologischer Kulturwissenschaft“, aber es ist eben auch nicht selbstverständlich…
Danke für den Lektürehinweis! Ich werde mir das Buch gern ansehen und bei Gelegenheit hier vielleicht auch noch einen Kommentar dazu abgeben.