Vom Überleben der Intellektuellen

Gumbrecht hat im FAZ-blog erläutert, warum sich die Intellektuellen überlebt haben. Er beschreibt damit eine Dynamik, die schon vielfach bemerkt und teilweise beklagt wurde. So nach dem Motto: „Die Leute hören ja eh nicht mehr zu!“ Nun ist jedoch die Klage, dass die Leute nicht zuhören bzw. aufmerksam lesen, kaum etwas anderes als die verzweifelte Klage von Eltern über pubertierende Kinder. Als Ursache nennt Gumbrecht hingegen die zunehmende Nötigung zur Parteilichkeit. Sie ist natürlich fatal und macht jeden Versuch, sich Gedanken zur Sache zu machen, platt. Deswegen ist Gumbrechts Perspektive im Vergleich zur lamentierenden die viel überzeugendere.

Ich frage mich nur, ob ergänzend zu seinen Gedanken nicht auch ein anderer Fluchtpunkt möglich wäre: statt des sich Überlebens eine Privatisierung des Denkens, an der diejenigen, die vor wenigen Jahren noch als Intellektuelle begriffen wurden, ihre verbliebenen Leser teilhaben lassen. Ich denke an Hennig Ritters Notizhefte oder an Sloterdijks Zeilen und Tage, in denen ich seit gestern lese. Die große Leistung solcher Bücher besteht darin, dass die Autoren mit ihren Lesern Gemeinschaft herstellen, indem zusammen über Dummheit und Geschwätz gelacht wird. In diesem Sinne ist der Rückzug in die publizierten Notizen zur Zeit nicht weniger als der Versuch, das Überleben zu sichern. Gumbrecht dürfte darin vielleicht einen letzten Fluchtpunkt sehen, quasi ein Klassentreffen der verbliebenen Intellektuellen mit ihren Jüngern. Aber vielleicht ist die Privatisierung gar kein Zwischenschritt zum Verschwinden, sondern lediglich Ausdruck dafür, dass die eigenen Möglichkeiten realistischer eingeschätzt werden.

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