Von der Notwendigkeit des Edierens

Jüngst sind weitere Texte aus dem Nachlass von Hans Blumenberg publiziert worden (Geistesgeschichte der Technik. Aus dem Nachlass hrsg. von Alexander  Schmitz und Bernd Stiegler. Frankfurt/Main 2009). Sie bieten nicht etwa, wie man vielleicht meinen könnte, eine solche Geistesgeschichte, sondern verschieden gelagerte Vorüberlegungen dazu. Im ersten Text („Einige Schwierigkeiten, eine Geistesgeschichte der Technik zu schreiben“) heißt es:

„Die Auffassung von der Erfindung als einem schutzwürdigen, nicht auf eine Sache, sondern auf die Idee von einer Sache bezogenen Eigentum hat geistesgeschichtliche Voraussetzungen, in denen traditionelle Auffassungen von der Wirklichkeit und vom Menschen fraglich werden.“ (S. 15)

Die philosophischen Voraussetzungen davon reflektiert Blumenberg sodann und man kann – wie eigentlich immer – davon nur profitieren. Was mich hier interessiert, ist aber ein ganz anderes Feld. Denn die Folgen dieser veränderten „Auffassung von Erfindungen“ hatte im 19. Jh. auch fundamentale Folgen für die Philologie, genauer die Editorik. Hans-Harald Müller hat jüngst einen Aufsatz über Wissenschaftsgeschichte und neugermanistische Editionsphilologie publiziert (in: editio 23 [2009], S. 1-13). Darin schildert er, dass Editionsphilologie im 19. Jh. ein einträgliches Geschäft gewesen sei – anders als es das heute meist sei. Und dass besonders Gelehrte ohne einen richtigen Lehrstuhl gut von dieser Arbeit leben konnten.

Die Voraussetzung für den Aufschwung der Editionsphilologie ist das im frühen 19. Jh. fundamental veränderte Urheberrecht. In dem Moment, da die Idee und die daraus resultierende Arbeit eines Philologen zu einer Art „Erfindung“ wird, wird diese das Eigentum des Schöpfers – und nicht mehr das der Allgemeinheit wie ehedem im Absolutismus. Das ist eine der Kernthesen, die hinter Blumenbergs Überlegungen steht.

Vielleicht sollten die radikalen Vertreter der Open-Access-Bewegung einmal überlegen, ob sie nicht auf dem besten Weg sind, einem akademischen Neo-Feudalismus den Steigbügel zu halten.

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