Vorbestimmte Seminararbeiten

Der Frankfurt Kunsthistoriker Wolfgang Kemp hat jüngst in der FAZ betont, wie sehr das Internet ein Glücksfall für die gegenwärtige Forschergenerationen ist (Man kann Bologna nicht ohne das Internet denken, FAZ 18.1.2010). Das Problem macht Kemp an einer anderen Stelle aus – nämlich an der, dass die Ergebnisse der Internetrecherche in den meisten Referaten und Hausarbeiten – zumal denen, die unter Zeitdruck geschrieben werden – zu völlig vorhersehbaren Ergebnissen führen.

Diesen Eindruck kann inzwischen wohl fast jeder Dozent bestätigen – die eingereichten Hausarbeiten, aber auch viele mails und andere Anfragen zeigen vor allem eins:  Die Jüngeren nutzen in aller Regel den Rechner und vor allem das Netz viel weniger gut – und gut heißt hier sowohl umfassend als auch präzise – als die Älteren.

Um es einmal klar zu sagen: Inzwischen fühle ich mich in fast jedem Seminar einmal auf den Arm genommen, weil irgendein Schlauberger (bzw. eine Schlaubergerin) meint, dass es hinreichend ist, wenn man nicht nur die google-Treffer 1-3 für das Referat berücksichtigt, sondern auch noch die Treffer 4-6. Auf die Idee, dass der Dozent von vornherein das Referatsthema so konzipiert hat, dass selbst die ersten 15 Treffer keine echten ‚Treffer‘ sind, auf die Idee kommt kaum jemand.

Doch ist der Ärger über die Schlauberger das eine. Viel wichtiger scheint mir, und da trifft der Beitrag von Kemp genau ins Schwarze, die Frage zu stellen, wie das geändert werden kann. Eine Parade-Lösung fällt mir darauf auch nicht ein. Aber vielleicht ist schon viel gewonnen, wenn Dozenten vor der Vergabe von Referaten und Seminararbeiten einmal klären, was für Treffer die Suchmaschinen so präsentieren. Die Folge dieses Verfahrens ist dann zunächst, dass man eine mail bekommt, in der erklärt wird, dass es zu dem Thema nichts gibt. Darauf kann man ganz entspannt antworten: „Doch, da gibt’s was.“ Und dann muss man gemeinsam überlegen, wie die Suche verändert werden muss, damit man zu sinnvollen, am Gegenstand orientierten Treffern kommt. Das ist vielleicht mühsam, aber längst nicht so mühsam wie die Lektüre von vorbestimmten Seminararbeiten.

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