Im Januar kam es in der FAZ zu einem kurzen Scharmützel über die Förderung von geisteswissenschaftlichen Projekten. Ausgangspunkt war ein Bericht in der FAZ von Caspar Hirschi über eine wissenschaftsgeschichtliche Tagung des Arbeitskreises „Geschichte der Germanistik“. Darin werden die „Halbwertszeit der förderpolitischen Floskeln“ und der deutsche Sonderfall „thematischer Großforschung in den Geisteswissenschaften“ angegriffen.
Darauf hat – ebenfalls in der FAZ – die DFG-Vizepräsidentin, die Professorin Luise Schorn-Schütte, mit dem Artikel Selbstbedienung ist ausgeschlossen repliziert. Sie wirft Hirschi u.a. vor, er habe „einen „Selbstbedienungsladen DFG““ unterstellt. Nun ist aber in dem Artikel von Hirschi von „Selbstbedienungsladen“ gar nicht die Rede, nicht einmal von ‚Selbstbedienung‘. Die Anführungszeichen im Artikel von Frau Schorn-Schütte markieren also kein Zitat, wie ich erst dachte. Aber was markieren sie dann?
Sie sollen wohl irgendeine Form von Uneigentlichkeit signalisieren. Wenn dem aber so ist, dann nimmt der Artikel an dieser Stelle einen bemerkenswerten Argumentationsverlauf. Erst wird Hirschis Artikel in der Replik auf die Wendung „„Selbstbedienungsladen DFG““ zugespitzt, dann wird die Zuspitzung behandelt, als sei sie ein O-Ton Hirschis und nicht etwa eine Formulierung von Frau Schorn-Schütte: „das muss man nicht kommentieren“, heißt es im Anschluss. Einmal abgesehen davon, dass das vermeintliche Ausbleiben eines Kommentars selbst einer ist: Auf was bezieht sich das „das“? Es kann sich doch wohl nur auf die eigene Zuspitzung beziehen, die die gegnerische Position polemisch verknappt.
Doch nicht nur diese Stelle, auch die Eröffnung des Artikels ist merkwürdig unklar. Frau Schorn-Schütte stellt zunächst kurz Caspar Hirschi vor: Sie nennt sein Arbeitsfeld, seine Nationalität und den Ort, an dem er tätig ist. Was aber hat das mit dem Thema zu tun? In Seminaren ist ein solches Vorgehen oft schlicht Ausdruck von Unsicherheit. Bei Frau Schorn-Schütte kann die sicherlich ausgeschlossen werden. Gleich im folgenden Absatz spricht sie noch einmal vom ‚Historiker Hirschi‘. Was soll das? Ist das hier ein Streit unter Historikern? Geht die Sache Philologen, Kulturwissenschaftler, Theologen usw. nichts an? Wohl kaum.
Hätte Hirschi als Historiker Zweifel an den historischen Überlegungen der Tagung formuliert, hätte er das klar gemacht – mutmaßlich in einer Fachzeitschrift oder in der Rubrik „Geisteswissenschaften“ der FAZ. Die Rubrik, in der sein Artikel erschienen ist, heißt aber „Forschung und Lehre“. Hirschi hat also Kritik an der Wissenschaftspraxis der DFG und anderer Förder-Institutionen formuliert. Dagegen repliziert Frau Schorn-Schütte (verständlicherweise) in ihrer Funktion als Vizepräsidentin der DFG und eben nicht als Frühneuzeit-Historikerin, die sie auch ist.
Was also ist das primäre Anliegen der Replik? Den Selbstbedienungsvorwurf zu entkräften? Stand der denn tatsächlich vor der Replik ernsthaft im Raum? Und warum wird die Biographie von Caspar Hirschi vorgestellt, obwohl sie nichts zur Sache tut? Der Artikel scheint durchsetzt von einem polemischen Subtext, der sich aber nicht so recht fassen lässt. Vordergründig geht es um wissenschaftspolitische Fragen, doch man wird den Eindruck nicht los, dass daneben auch disziplinäre Fragen mitverhandelt werden, ohne dass dies explizit wird. Allein schon deswegen kann man sich nur wünschen, dass es nicht bei diesen beiden Artikeln bleibt, sondern dass aus dem Scharmützel ein handfester Streit wird! Vielleicht verstehen dann ja auch Philologen, um was es hier wirklich geht…