Die letzten drei Krimis, die ich gelesen habe, weisen auf unterschiedliche Art nach, woher sie ihr Hintergrundwissen beziehen. Jürgen Kehrer bringt in Wilsberg und die Wiedertäufer sogar Fußnoten mit Hinweisen auf die Täufer-Geschichte in Münster (wofür er sich ironischerweise zu Beginn regelrecht entschuldigt). Jan Seghers nennt am Ende von Partitur des Todes im Anschluss an den Text geschichtswissenschaftliche Werke, die ihm beim Schreiben geholfen haben. Und Andree Hesse bedankt sich am Ende von Der Judaslohn bei den Personen, die ihm in Gesprächen wichtige Informationen für seinen Roman geliefert haben.
Mir ist das aufgefallen, weil es so ganz und gar unüblich ist. Ich habe in den letzten Monaten wirklich viele Krimis gelesen und außer diesen drei enthielt kein einziger derartige Nachweise. Ich finde das auch gar nicht schlimm. Wenn ich Romane lese und solche Hinweise finde, dann sagt mir das zwar, dass das Erzählte präzise recherchiert ist. Aber eigentlich müssen Romane keine Nachweise führen, finde ich.
Ich dachte, als mir das auffiel, auch an Bücher wie Der Zauberberg oder Berlin Alexanderplatz, die ja nicht mehr nur Wissen aus anderen Kontexten beziehen, sondern sogar wörtlich andere Quellen zitieren, ohne dass das (zumindest in meinen Ausgaben) irgendwer irgendwie nachweist – zum großen Glück übrigens von Philologen, die sich dann editorisch austoben können.
Wenn man sich klar macht, wie etwa die Herrn Mann und Döblin mit ihren Vorlagen umgesprungen sind, dann sollte man vorsichtig sein mit einer all zu harschen Verurteilung von Helene Hegemanns Axolotl Roadkill. Klar: Es wäre besser, netter, was weiß ich gewesen, wenn sie ihre Quellen und Arbeitsweise transparent gemacht hätte. ABER: Kunstwerke sind keine wissenschaftlichen Arbeiten.
Wenn jetzt das große Klagelied vom kulturellen Verfall erklingt, dann sollte man – eingedenk der genannten literarischen Großwerke – sich klar machen, dass Hegemanns Arbeitsweise kaum einen Medienwandel belegt (sieht man einmal von der Quelle ab), wie das insbesondere Kollegen gerne behaupten. Auch Hegemanns Produktionstechnik ist nichts Neues. Sie war auch in der guten alten Zeit nicht selten. Nur klingt in den Ohren mancher Kritiker und Literaturwissenschaftler ‚Collage‘ halt besser als ‚cut and paste‘.