Geschichtskritik

In den letzten Wochen habe ich mich gleich mehrfach über Literaturkritiker geärgert, die so tun, als würden sie einfach alles wissen und kennen, und die offensichtlich nicht einmal das Buch, das sie rezensieren, aufmerksam gelesen haben. Deshalb war ich dankbar, als ich mich diese Woche mit Rezensionen von Kleists Hermannsschlacht beschäftigen konnte. Rezensionen um 1820, das heißt Blütezeit der Kritik, abgesichert durch humanistische Bildung. Da lacht das Herz des Philologen.

Pustekuchen.

Gestern las ich: „Diese Hermannsschlacht ist ein Gelegenheitsgedicht, wie die Perser des Aeschylos, mit dem Unterschiede jedoch, daß, wenn diese den errungenen Sieg feyern, die Hermannsschlacht dem unterdrückten Vaterlande wie eine Feuersäule vorleuchtet, den Gang zum Siege voraus schreitend.“ Schöner Vergleich, dachte ich eine Sekunde lang – Die Perser: erstes vollständig erhaltenes Drama der Menschheit und Kleist, einer meiner Helden derzeit.

Aber Moment. Die Perser: Da feiert doch niemand; das persische Heer ist von den Griechen geschlagen worden. Die Überlebenden, allen voran König Xerxes, kehren zurück, um von der Niederlage zu berichten und um die Klage über die Niederlage anzustimmen. Nix errungener Sieg. Es geht gar nicht um die Sieger. Das ist ja gerade so großartig an dem Stück. Es ist Dramatik der Sieger, aber in Gestalt eines Blicks auf die Klage der Besiegten. Der Vergleich zwischen Die Perser und der Hermannsschlacht hinkt nicht nur, er ist schlicht quatsch.

Und was lernt der Philologe aus diesem Beispiel? Auch in der guten, alten Zeit war nicht alles toll. War eigentlich auch klar, ist aber kein wirklicher Trost, wenn man schwache Kritiken liest.

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