Robert Darnton hat in einem blog-Beitrag die These aufgestellt, dass schon in der Vormoderne fröhlich gebloggt wurde. Schließlich seien blogs durch Schärfe und Kürze gekennzeichnet – und nicht zuletzt auch durch eine gewisse Neigung zum Skurrilen und zum Tratsch. Sein Beitrag Blogging, Now and Then bezieht sich, um diese These zu bestätigen, auf allerlei lesenswerte oder zumindest komische Notizen in Zeitungen des 18. Jahrhunderts. Auch nennt er ihre ‚Quellen‘: „Much of it came from a bountiful source: the coffee house.“
Und eben im Café sieht Darnton eine weitere Parallele zur gegenwärtigen blog-Kultur, was ja auch einleuchtet. Spannend an seinen Überlegungen ist nun, dass er die Parallelen nicht etwa auf die Spitze treibt. Er wird im Verlauf des Artikel insgesamt vorsichtiger mit den Analogien als zu Beginn und spricht auch relativierend von „blog-like elements“. Darnton ist sich also durchaus bewusst, dass es einige gravierende Unterschiede zwischen blogs und kurzen Zeitungsnachrichten gibt, etwa die Schnelligkeit, die sehr niedrige Kostenschwelle, um publizistisch tätig werden zu können, und die Möglichkeiten der direkten Erwiderung.
All das steht aber gar nicht im Fokus der Aufmerksamkeit seines Artikel, sondern die Frage nach der politischen Funktion der damaligen und der gegenwärtigen blogs. Darnton schließt mit der Frage: „Are blogs disrupting traditional politics today just as “libelles” did in eighteenth-century France?“ In dieser Frage steckt natürlich eine ganz gehörige Portion Optimismus. Ein Optimismus, den zwar auch der Artikel, vor allem aber die notorisch begeisterten Netz-Theoretiker propagieren, ohne recht sagen zu können, woher sich der speist.
Meine Formulierung deutet schon an, dass ich einige Zweifel an diesem Optimismus habe. Das liegt weniger an meiner Scheu vor Heilsbringern als vielmehr an dem Umstand, dass das blog-Format derart flexibel ist, dass ich mir nicht sicher bin, ob man es tatsächlich auf einen so einfachen Nenner wie politische Agitation (sei sie intendiert oder auch nicht-intendiert) bringen kann. Die hat für mich immer auch etwas mit Kürze zu tun. Darntons Artikel an sich zeigt jedoch, dass blog-Einträge nicht kurz sein müssen, und er belegt zudem, dass sie auch nicht zwingend polemisch sein müssen. Klar: Kürze und Schärfe fördern sicherlich die ‚Absatzzahlen‘, aber gerade da das Bloggen ja in aller Regel eine unkommerzielle Angelegenheit ist, besteht auch keine Notwendigkeit zur Kürze.
Ein wundervoller Satz, wie ich gerade feststelle, da ich ihn noch einmal lesen. Ein Freibrief, um stundenlang weiterzuschreiben!
Doch keine Sorge, der Autor hat noch andere Dinge zu tun! Darntons Optimismus varriierend, möchte ich abschließend nur noch fragen: „Zerstören blogs die hergebrachte Wissenschaftskommunikation, wie es die aufkommenden Rezensionen und Kritiken im 18. Jahrhundert taten?“ Ich denke, die Antwort fällt eindeutig aus. Das entlässt uns aber nicht aus der Verantwortung, darüber nachzudenken, wozu sie sich eignen könnten.