Ein anderer Gedanke bei der Lektüre von Walter Benjamins Einbahnstraße:
In den ironischen Prinzipien der Wälzer oder die Kunst, dicke Bücher zu machen hält Benjamin fest: „Zusammenhänge die graphisch darstellbar sind, müssen in Worten ausgeführt werden. Statt etwa einen Stammbaum zu zeichnen, sind alle Verwandtschaftsverhältnisse abzuschildern und zu beschreiben.“
Langsam wächst wieder der Stapel mit Hausarbeiten neben meinem Schreibtisch. Bei den Vorbesprechungen schlage ich den Studierenden immer mal vor, einen Zusammenhang, einen Gedanken oder eine Theorie graphisch darzustellen, sie zu visualisieren. Ich halte solche Versuche für sehr hilfreich und bewundere all die, die das – im Unterschied zu mir – richtig gut beherrschen und gar spontan solche Graphiken entwickeln können. Bei den Studierenden stelle ich immer wieder fest, wie sie zusammenzucken, wenn ich Ihnen vorschlage, in den Hausarbeiten mit Graphiken zu arbeiten. Angesichts meiner eigenen graphischen Kompetenz verstehe ich diese Scheu, aber ich finde sie auch sehr bedauerlich.
Zudem habe ich lange gedacht, dass diese Scheu gewiss auch daran liegt, dass sich viele nicht mit den entsprechenden Programmen auskennen, obwohl man das meistens ja schon mit PowerPoint o.ä. erledigen kann (aber einige Studenten kämpfen ja sogar mit Word…). Bei der Benjamin-Lektüre wurde mir nun wieder einmal in Erinnerung gerufen, wie sehr eine Graphik einen Text verschlankt und abwechslungsreicher macht. Aber vermutlich ist genau das die eigentliche Ursache für die breite Scheu, mit Graphiken in Hausarbeiten zu arbeiten. Die B.A.-Ordnungen sind im Hinblick auf den Umfang derart rigoros, dass Graphiken gleich in zweifacher Hinsicht unbeliebt sind. Zum einen braucht das Erstellen einer Graphik meist mehr Zeit als eine Vertextung. Zum anderen schreibt die B.A.-Ordnung vor, dass eine Arbeit mindestens so und so viel Seiten lang sein muss. Dass heißt im Klartext: Wer eine Graphik entwirft, um einen Sachverhalt darzustellen, hält sich erst damit auf und ist dann noch der Gelackmeierte, weil er nur eine Seite ‚voll‘ hat, wo andere längst drei, vier Seiten geschrieben haben. Das ist ein gravierendes Argument gegen Graphiken, wenn man gleich mehrere Hausarbeiten in wenigen Wochen schreiben muss.
Immerhin das also können sich die Freunde der Modularisierung auf ihre Fahnen schreiben: Sie haben die Kunst, dicke Bücher zu machen (man beachte, dass Benjamin nicht von ’schreiben‘ spricht!), entschieden befördert.