Ich, Rainer Franz Freud

Wohl jeder, der regelmäßig schreibt, kennt diesen Effekt: Man liest seine Texte nach einiger Zeit, stellt fest, dass man immer wieder zu den gleichen Wendungen greift und einfältig die immer gleichen Satzkonstruktionen pflegt, obwohl es so viele andere und (im Moment der Selbstkritik) viel schönere gibt. Der eigene Text wirkt auf einmal einfältig und monoton – insbesondere im Vergleich zu dem Buch, das man gerade liest, oder zu dem Seite-3-Artikel, den man am letzten Samstag gelesen hat.

Nur wenige haben das Glück, einen eigenen Stil auszubilden, ganz wenige , dann auch noch das Glück, anderen Lesern zu gefallen. Manche versuchen sich dieses Glück zu erarbeiten, indem sie dem Stil von anderen nacheifern. Thomas Mann ist bemerkenswerterweise immer noch so ein Vorbild … Wer einen solchen (meist unerreichbaren) Gradmesser nicht hat und trotzdem wissen will, wessen Stil er pflegt, der kann das jetzt ganz und gar objektiv testen.

So ein Stil-Test ist eine lustige Sache. Ich habe mal drei Texte aus diesem blog eingegeben und pflege demnach mal den Rilke-, mal den Freud- und mal den Kafka-Stil. Nun wollte ich natürlich auch wissen, wie zuverlässig dieser Test ist. Alle eingegebenen Goethe-Texte waren laut Test auch von Goethe. Soweit so gut. Dummerweise sind aber auch die von Schiller und Kleist im Goethe-Stil. Eine arg kluge Stilanalyse-Maschine zu überlisten, macht dem kleinen Philologen natürlich diebisch Spaß. Aber im Grunde geht es den Programmierern ja nicht darum, meinen Stil zu analysieren, sondern mir virtuell mein ego aufzumöbeln. Ich darf mich also zufrieden zurücklehnen und sagen: Ich, Rainer Franz Freud. Tolle Sache!

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2 Responses to Ich, Rainer Franz Freud

  1. jge sagt:

    Die (meine) Ergebnisse deuten darauf, dass es absoluter Quatsch ist. Je länger der Text, desto genauer die Ergebnisse, steht dort. Ich habe es mit drei Texten zwischen 5 und 20 Seiten probiert, zwei davon aus demselben Werk: der eine klang wie Nietzsche, der andere wie Hegel. Ach ja, mein erster Versuch wurde auch FREUDig eingeschätzt. Würde mich aber wundern, wenn ich auch nur halb so viele aktiv verwendete Wörter im -Schatz hätte wie der.

    Interessanter finde ich aber die Frage, was den nun den guten Stil ausmacht. Regeltauglich ist „Schreib wie Thomas Mann“ ja nun nicht. Geht’s da nur um das Sätze-drechseln? Oder beziehen wir den Stil auf das Ganze eines Schriftstücks, von der „eleganten Prosa“ über den Schwung des Gedankens bis zur Anfangs- und Schlusspointe?

  2. kai bremer sagt:

    Was guter Stil ist, das weiß doch Wolf Schneider, kann man alles nachlesen dachte ich 😉 knackige Prädikate, gute Auswahl an Attributen und Substantiven, keine verschachtelten Sätze (TM hat natürlich längst abgedankt). Alles kein Problem, oder gleich: Schreib wie Du sprichst. Dann können wir uns wenigstens zu altväterlicher Kritik aufschwingen und den Untergang des Abendlands beklagen …

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