Wenn ich es derzeit schon nicht schaffe, hier neue Beiträge zu schreiben, dann darf zumindest ein Hinweis auf meinen Besuch der Spieltriebe 7 nicht fehlen. Ergänzend dazu zumindest noch ein paar Foto-Impressionen.
Wenn ich es derzeit schon nicht schaffe, hier neue Beiträge zu schreiben, dann darf zumindest ein Hinweis auf meinen Besuch der Spieltriebe 7 nicht fehlen. Ergänzend dazu zumindest noch ein paar Foto-Impressionen.
Am Samstag, wenige Stunden bevor in Frankreich die Wahllokale geöffnet wurden, habe ich mir das französische Stück der Stunde, Pommerats Ça ira, in Münster angesehen. Wie diese dramatische Auseinandersetzung mit den Anfängen der französischen Revolution realisiert wurde und wie es mir gefallen hat, lest ihr auf nachtkritik.de.
Vielleicht das berühmteste der Sonette an Orpheus, das ‚Reiter-Sonett‘, beginnt folgendermaßen:
Sieh den Himmel. Heißt kein Sternbild „Reiter“?
Das Sonett ist nicht zuletzt deswegen so berühmt, weil es dazu eine besonders umfangreiche Deutungsgeschichte gibt (vgl. u.a. dazu ebd., S. 66-71 Christoph Schmälzle). Eine Pointe dieses Gedichts ist, dass das Pferd des Reiters nie ausdrücklich genannt wird und dass es gleichwohl schon mit dem ersten Vers präsent ist. Schließlich kann es einen Reiter ohne Reittier gar nicht geben.
Wie eine spielerische Antwort darauf erschien mir nun ein Gedicht Tranströmers, das ich jüngst gelesen habe. Die letzte Strophe seines Gedichts Caprichos, dessen Titel natürlich gleich an Goya denken lässt, lautet:
Im Raum da oben:
geräuschlos trabend, stiebend und schwarz,
ungesehen und ungebunden,
den Reiter abgeworfen:
ein neues Sternbild, das ich „Pferd“ nenne.
Diese Verse sind meinem Eindruck nach ein wunderbares Beispiel für die Leichtigkeit von Tranströmer. Er ironisiert die Reflexion bei Rilke, ohne sich darüber lustig zu machen. Tranströmers Ich blickt ebenfalls in den Himmel. Was bei Rilke Ausgangspunkt der Reflexion ist, ist bei Tranströmer jedoch Schlusspunkt: Nachdem das Ich zuvor durch abendliche Straßen gegangen ist, erlebt es nun die angenehme Einsamkeit. Es betrachtet entspannt den Himmel und erfreut sich an der Geschichte, die es dort sieht.
Dieser lakonische Reflex auf Rilke findet sich bei Tranströmer wiederholt. In Der halbfertige Himmel von 1962 ‚geht‘ gleich zweimal ein Baum: einmal am Beginn von Der Baum und die Wolke („Ein Baum geht umher im Regen“, ebd., S. 54), einmal am Ende von Der Klang („und die ruhigen Schritte eines Baumes, die ruhigen Schritte eines Baumes.“ ebd., S. 56). Das erinnert an den berühmten Beginn von Rilkes Sonetten (I,1: „Da stieg ein Baum. O reine Übersteigung.“). Doch anders als bei Rilke schildern Tranströmers Gedichte dann nicht, was das Gehen bzw. die Schritte auslöst. Bei Tranströmer bewegen sich die Bäume fort, ganz selbstverständlich und ohne Ursache. Bei Rilke folgt das Steigen aus dem Gesang von Orpheus. Tranströmers Verse wenden sich gewissermaßen vom Künstler ab – von Orpheus, vom Reiter – und der Natur zu. Aber indem sie das mit Metaphern machen, die an Rilke erinnern, halten seine Verse zugleich das Bewusstsein wach, dass es sich bei ihnen nicht um bloße Naturlyrik handelt, wie man beim oberflächlichen Lesen zunächst meinen kann.
War es bislang statusfördernd, möglichst mobil und kosmopolitisch aufzutreten, wird eine feste regionale und lokale Verankerung in Zukunft zum eigentlichen Luxus. Auf eigene, lokal beschränkte gegenständliche Ressourcen zurückzugreifen, darunter eine nicht nur virtuelle Bibliothek, wäre dann wieder Statussymbol.
Christian Benne: Die Erfindung des Manuskripts. Zur Theorie und Geschichte literarischer Gegenständlichkeit. Berlin 2015, S. 643.
Dass Philologie vielsprachig ist, bildet den Normalfall; irreführend wäre es gerade deshalb, die Komparatistik als komplementäre Ergänzung von Einzelphilologien aufzufassen (wie es seit dem 19. Jahrhundert, mancherorts noch heute, geschieht).
Robert Stockhammer: Afrikanische Philologie. Berlin 2016, S. 14.
Marshall McLuhans berühmte Gutenberg-Galaxis wirkt in vielerlei Hinsicht wie ein temporal begrenzter Ausschnitt aus Spenglers umfassenderem Gebäude und teilt mit diesem mehr als die Geste universaler Welterklärung.
Christian Benne: Die Erfindung des Manuskripts. Zur Theorie und Geschichte literarischer Gegenständlichkeit. Berlin 2015, S. 578.
Yeeha!
In dem Moment, da die Philologie als Disziplin zur Verwaltung und kritischen Einordnung der Überlieferung auf den Plan tritt, wird es für jeden um sein Werk bemühten Autor überlebensnotwendig, Voraussetzungen zu schaffen, um selbst Objekt der Philologie werden zu können. Die sichersten und offensichtlichsten Strategien sind zum einen Demonstrationen, wie das eigene Werk philologisch erschließbar wäre – und zum anderen die Bereitstellung von Manuskripten, dem hauptsächlichen Arbeitsgebiet der Philologen.
Christian Benne: Die Erfindung des Manuskripts. Zur Theorie und Geschichte literarischer Gegenständlichkeit. Berlin 2015, S. 253f.
Das zum Thema Poetik-Vorlesung und Schriftsteller-Vorlass.
Wenn du ihm bei kleineren Reparaturen hilfst, sieht er dir jedes Mal ungläubig zu, als wärst du die erste Frau der BRD, die mit Werkzeug umgehen kann. Er tut dir leid. Du tröstest ihn: „Bist eben ein Geisteswissenschaftler.“
Christopher Kloeble: Die unsterbliche Familie Salz. München 2016, S. 207.